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3D-gedruckte Implantate könnten Arzneimittelgabe revolutionieren

Ein interdisziplinäres Forschungsteam entwickelt im Rahmen des FFG-Projektes „3DPharmInStruc“ neuartige pharmazeutische Implantate aus dem 3D-Drucker und schaffte neue Möglichkeiten für Langzeittherapien. Forscher*innen am FH OÖ Campus Wels analysieren dabei Struktur und Abbauverhalten.


Bluthochdruck, Gerinnungsstörungen oder Diabetes – jeder dritte Österreicher hat mit chronischen Beschwerden zu kämpfen. Betroffene sind oftmals auf eine dauerhafte oder gar lebenslange Medikation, meist in Tablettenform, angewiesen. Implantierbare Arzneimittelabgabesysteme, kurz IDDS (insertable and implantable drug delivery systems), sind eine ressourcenschonende und risikoärmere Alternative. Diese werden einmalig in den Körper eingesetzt und setzen Wirkstoffe langfristig frei. Die direkte systemische Abgabe kann unerwünschte Nebenwirkungen reduzieren und unterstützt insbesondere ältere oder sehr junge Patient*innen beim Therapiemanagement, da eine Überdosierung oder das Vergessen der Einnahme verhindert wird. Vergleichbare Systeme werden bereits erfolgreich als Verhütungsmittel eingesetzt.

Anpassungen des Freisetzungs- oder Abgabeverhaltens sind aufgrund der vergleichsweisen einfachen Struktur des Implantates äußerst herausfordernd. Genau hier setzt das FFG-Projekt 3DPharmInStruc, unter Leitung des Research Center Pharmaceutical Engineering (RCPE) und mit Beteiligung des FH OÖ Campus Wels, an.

Maßgeschneiderte Medikamententherapie durch 3D-Druck
Ziel des 3-jährigen Forschungsprojekts ist die Entwicklung neuartiger IDDS, die mittels 3D-Drucktechnologie hinsichtlich Wirkstoffgehalt und -abgabe auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen zugeschnitten werden. Eine derartige Personalisierung würde die Therapie chronischer Erkrankungen revolutionieren.

Bis dato sind solche komplexen, 3D-gedruckten Strukturen aber noch nicht ausreichend untersucht. „Für die Umsetzung arbeiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pharmazie, Chemie, Biologie, Kunststoffverarbeitung, 3D-Druck sowie Verfahrenstechnik und Simulation zusammen, wodurch immer neue Ideen entstehen - das zeichnet für mich Innovation aus“, so Sarah Heupl, Projektmitarbeiterin am FH OÖ Campus Wels.

Neben der Entwicklung eines 3D-Druckers, der den hohen gesetzlichen Standards der Pharmaindustrie entspricht, arbeitet das Team auch an der Herstellung maßgeschneiderter Polymere, die sich sowohl als Wirkstoffträger und für den 3D-Druck eignen. Das angefertigte Polymerfilament wird dabei durch eine dünne Düse in einzelnen Schichten gedruckt. Dem millimeterdünnen, wenige Zentimeter langen Kunststoffstäbchen wird damit eine besondere Struktur verliehen, die konventionell nicht umsetzbar ist. Je nach Geometrie und Form können die Forscher*innen Implantat-Eigenschaften gezielt beeinflussen.

Analyse mittels Micro-CT am FH OÖ Campus Wels
Die Untersuchung der gedruckten Implantate findet am FH OÖ Campus Wels statt. Das dreiköpfige Forschungsteam, unter der Leitung von Dr. Sascha Senck, setzt dabei auf maßgeschneiderte Testmethoden, die auch biorelevante Parameter berücksichtigen.

Um die Struktur des Implantats zerstörungsfrei zu prüfen, nutzt man in Wels die industrielle Mikro-Computertomographie. Dabei wird das Objekt 360° um die eigene Achse rotiert und aus einzelnen Röntgenaufnahmen ein 3D-Volumen rekonstruiert. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die innere Struktur und damit auch Qualität des Implantats ziehen. Die Porosität und Angriffsfläche des Kunststoffstäbchen beeinflussen die Wirkstofffreisetzung und das Abbauverhalten des Implantats.

Die Kunststoffstäbchen sollen aber nicht nur Wirkstoffe in der richtigen Menge zur richtigen Zeit abgeben, sondern auch über einen genau bestimmten Zeitraum vom Körper abgebaut und so rückstandlos ausgeschieden werden. Für diese Untersuchungen entwickelten die Welser Forscher*innen eine eigene Durchflusszelle, die auch Faktoren wie Temperatur oder pH-Wert berücksichtigt und so Experimente und Analysen unter Realbedingungen ermöglicht.

Erste Analysen der Prototypen zeigen äußerst vielversprechende Ergebnisse, der tatsächliche Einsatz personalisierter IDDS ist allerdings noch nicht absehbar.

Das Projekt wird durch die FFG-Initiative Produktion der Zukunft gefördert. Unter der Leitung des RCPE sind neben der FH Oberösterreich auch InnoCore Technologies, HAGE3D sowie die Karl-Franzens-Universität Graz als Projektpartner beteiligt.

Nahaufnahme eines 3D-gedruckten Implantats Bildquelle: RCPE

Zerstörungsfreie Materialprüfung: mittels Mikro-Computertomographie entsteht ein 3D-Bild der inneren Struktur des Implantats Bildquelle: FH OÖ Wels

Sarah Heupl arbeitet seit 2020 in der Arbeitsgruppe für Computertomographie am FH OÖ Campus Wels und ist Teil des Forschungsteams von „3DPharmInStruc“. Bildquelle: B. Plank – imBILDE.at