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Das waren die Public Management Impulse 2022

Erfolgreiche 14. Auflage einer der publikumsstärksten Fachveranstaltungen der FH Oberösterreich


ID Austria – was, warum und wie?

 

Die ID-Austria ist ein modernes, sicheres Verfahren zur Identifikation von Personen. Sie ermöglicht Menschen, sich sicher online auszuweisen und digitale Services der öffentlichen Verwaltung zu nutzen oder Geschäfte abzuschließen. Die ID-Austria ist ein Verfahren, wo keinerlei Daten „gehandelt oder verkauft“ werden und erfüllt höchste Sicherheits- und Datenschutzstandards. Sie ist kostenlos und ermöglicht die einfache und sichere Unterschrift digitaler Dokumente und ist die Basis für die digitale Ausweisplattform, etwa für Führerscheine oder Personalausweise.

Die 14. Public Management Impulse gingen am 29. November am Campus Linz der FH Oberösterreich besonders auf die Chancen der ID-Austria in den Prozessen der öffentlichen Verwaltung auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene ein. Konkrete Anwendungsbeispiele und Umsetzungsszenarien zeigten das Potenzial einer digitalen Identität an der Schnittstelle zwischen den Bürger*innen, der Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen.

 

„Wie soll es angesichts limitierter Personalressourcen in der öffentlichen Verwaltung möglich sein, in den nächsten 15 Jahren parallel analoge und digitale Verfahren gleichzeitig zu führen?“ – diese Frage stellte Mag. Hans-Werner Streicher MBA bei seinem Vortrag im Rahmen der „14. Public Management Impulse“ an das Auditorium. Der Leiter der Stabsstelle für IT, Controlling und Organisation in der Rechtsabteilung der Direktion für Umwelt und Wasserwirtschaft beim Land Oberösterreich gab auch gleich selbst die Antwort: gar nicht!

Die öffentliche Verwaltung hat schließlich nicht nur mit Routineverfahren in kleinem Umfang zu tun, sondern muss auch die dicken Bretter bohren. Als Beispiel wird der Bau einer neuen Hochspannungsleitung oder einer Betriebsanlage genannt. Entsprechende Akte würden da schon einmal 1500 Dokumente oder mehr beinhalten. Stellungnahmen, Einsprüche, Vollmachten – und überall gelte es, die Authentizität zu überprüfen und die Dokumente (auch) elektronisch rasch verfügbar zu machen. „Gerade heute haben wir in der Landesverwaltung ein großes Verfahren, wofür wir sogar das Linzer Design Center mieten mussten. Unsere Mitarbeiter müssen da über 200 Zugangsdokumente auf Echtheit prüfen.“

Große Verfahren binden wiederum Ressourcen und wirken sich daher auch auf andere Verfahren aus. Mehr wie ein Glaubensbekenntnis und nicht bloß wie ein fachlicher Hinweis wirkte daher Streichers Appell für mehr Effizienz: „Bringen wir die ID Austria voran. Alle Mitarbeiter*innen der öffentlichen Verwaltung haben eine, manche wissen es aber nicht. Nutzen wir sie und motivieren wir die Bürgerinnen und Bürger dazu, sie ebenfalls zu nutzen“.

Um die ID Austria populärer zu machen, sieht der Verwaltungsexperte einen Hebel in „mehr Services“. Könnte man die tägliche Anmeldung am PC in der Firma und einen Behördenweg mit derselben ID machen, sei ein stärkerer Andrang hin zur ID Austria zu erwarten. Dieser komme nicht nur den Bürger*innen selbst zugute, sondern auch den Unternehmen. „Anträge bei Behörden“ so Streicher, „werden ja nicht von der Firma gestellt, sondern wieder von Einzelpersonen, die für die Unternehmen handeln.“

 

Der Arbeitsbereich Public Management der FH Oberösterreich und die Digitalisierung

 

Die Vorzüge der ID Austria und die Notwendigkeit für die öffentliche Verwaltung, dieses Thema zu forcieren, unterstrich schon die „Gastgeberin“ der Public Management Impulse an der FH Oberösterreich, FH-Prof. Mag. Dr. Franziska Cecon. Sie zitierte dabei auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eine digitale Transformation ohne digitale öffentliche Dienstleistungen für nicht abgeschlossen hält. Stichwort EU: Die ID Austria bringt eine sichere elektronische Interaktion zwischen Bürger*innen, Unternehmen und der Verwaltung in der gesamten Europäischen Union und stärkt damit auch das Vertrauen in sichere EU-weite Transaktionen.

Aufgrund ihrer Aktualität ist die Digitalisierung der Verwaltung ganz generell ein wichtiges Thema in Lehre und Angewandter Forschung am Arbeitsbereich Public Management.

 

Preisgekrönte ID Austria

 

Für Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky MSc MBA und Mag. Johannes Rund vom Bundesministerium für Finanzen ist es schlüssig, dass rechtsgültige elektronische Identitäten exklusiv vom Staat ausgegeben werden. Das hat mit der Verlässlichkeit der diditalen Signaturen ebenso zu tun wie mit dem Datenschutz für die Bürger*innen. So arbeiten in Europa – und darüber hinaus – die Staaten gerade an ihren jeweiligen Standards und Lösungen.  Stolz ist man im Finanzministerium auf die Goldmedaille, welche das Projekt ID Austria erst im September 2022 beim 21. eGovernment Wettbewerb in Berlin gewonnen hat. Die Jury beurteilte ID Austria als „Vorzeigemodell für eine europaweite digitale Identität.“

Johannes Rund erklärte die Architektur und die Entwicklungsschritte der ID Austria. So gibt es etwa seit Oktober als jüngste Errungenschaft den elektronischen Führerschein.

 

Über den Zaun geblickt – Was tut sich in Deutschland?

 

Prof. Dr. Christian Schachtner, Professor für Public Management und gleichzeitig CDO der Stadt Kempten im bayerischen Allgäu skizzierte die Situation der Digitalen Identität bei unserem Nachbarn Deutschland. Die deutsche Bundesverwaltung gibt drei Ziele zur Stärkung der Digitalen Souveränität vor: Wechselmöglichkeit (z.B. Wechsel zwischen IT-Lösungen), Gestaltungsmöglichkeit (z.B. Kompetenzen, um diese Lösungen auch zu verstehen) und Einfluss auf die Anbieter (Anforderungen festsetzen, rechtliche Vorgaben umsetzen). Als Lösungsansätze zur Zielerreichung hob Prof. Schachtner insbesondere die deutsche Verwaltungscloud-Strategie, ein zentrales Code Respository für die Verwaltung, zentrale Informationsplattformen und gemeinsame Initiativen im EU-Raum hervor.

An dieser Stelle ist aktuell ein komplexer Prozess im Gange, der sich zunächst in Zusammenarbeit mit Unternehmen auf 18 besonders gut umsetzbare und nutzenstiftende Anwendungsfälle konzentriert. Fälle und Partner werden Zug um Zug erweitert.

Der sog. „Self-Sovereign Identity Ansatz (SSI) gilt als technisch und konzeptionell ausgereift. Das Thema wird auch von wirtschaftlichen Anreizen getragen, geht es doch Studien zu Folge um einen Mehrwert von 3 bis 4 Prozent des BIP.

Schachtner bot auch eine kommunale Perspektive auf eine „Digitale Souveränität“, als deren zentrale Facetten der Technologische Souveränität, Datensouveränität, Demokratie & Transparenz sowie Wissen & Nachhaltigkeit anführte. Beispiele für „digitale Anwendungsfälle in der kommunalen Verwaltung reichen vom Digitalen Handwerkerausweis über die Einsicht in digitale Baupläne, kommunale Beteiligungsplattformen, E-Rezepte und E-Ticketing bis hin zum ID-Wallet als Fahrkarte.

 

Die ID Austria auf dem Podium – Chancen, Risiken, Voraussetzungen

 

Den Abschluss des offiziellen Teils der Public Management Impulse bildete eine Diskussion zum Thema der Veranstaltung. Am Podium waren:

 

  • Mag. Johannes Rund

Bundesministerium für Finanzen, Abt. V/B/4 E-Government Bürger

 

  • Mag. Clemens Gruber BSc

Leitung Stabstelle Digitale Transformation und Innovation, Land OÖ

 

  • HR Mag. Hans-Werner Streicher MBA

Leiter der Stabsstelle für IT, Controlling und Organisation in der Rechtsabteilung der

Direktion für Umwelt und Wasserwirtschaft, Land OÖ

 

  • Prof. Dr. Christian Schachtner

Professor für Public Management IU und CDO der Stadt Kempten

 

  • Mag. (FH) Reinhard Haider

Amtsleiter der Marktgemeinde Kremsmünster, E-Government Beauftragter des Gemeindebundes Oberösterreich und Lektor am Studiengang Public Management

 

 

 „Die Zukunft hat schon begonnen“ stellte Mag. Streicher schon eingangs fest – und die beginnt, wie Mag. Gruber anmerkt, im oberösterreichischen Landesdienst zunächst mit einer großen Pensionierungswelle, was auch den Verlust von Know-how bedeutet. Der „Handlungsimperativ“ laute daher: Die Zusammenarbeit sowohl verwaltungsintern als auch mit den Bürger*innen neu denken.

Mag. (FH) Haider konstatiert zufrieden, etwa ¾ aller Gemeinden hätten ihre Hausaufgaben bezüglich elektronischer Signatur schon gemacht – und unzufrieden, dass dies bei ¼ noch nicht der Fall ist. In seiner eigenen Gemeinde Kremsmünster fiel der Startschuss dazu schon im Jahre 2006.

 

In einer ersten Fragerunde meldeten sich Mitarbeiter*innen kommunaler Verwaltungen aus Pichl bei Wels, Wien, Traun und Eferding zu Wort.

Mag. Rund bestätigte, dass die ID-Austria Registrierung kostenlos bleibe, durchaus im Gegensatz zu anderen Dienstleistungen gegenüber den Bürger*innen. Das koste zwar etwas, die Ersparnisse durch Verbreitung seien aber höher zu gewichten.

 

Auditorium und Podium beschäftigte die Frage intensiv, wie man die ID-Austria populär machen und ihre Verbreitung forcieren könne.

Mag. (FH) Haider betont, entsprechende Werbung sei wichtig, besonders wichtig seien aber die Mitarbeiter*innen der Verwaltung und ihr Umgang damit. Hoffnung gebe es besonders bei den 30 bis 40jährigen „Verwaltungskunden“, weil diese oft in kürzerer Zeit mehr behördliche Dienstleistungen bräuchten. Ganz besonders liegt der Fokus aber auf die ab 14jährigen - für diese gibt es eine elektronische Signatur – weil die vollständige Ausstattung mit Schultablets diese Gruppe erreichbar mache.

Die Kommunikation der einzelnen Verwaltungsebenen, um die ID Austria zu promoten, bezeichnete Mag. (FH) Haider als gut.

 

Mag. Gruber sieht den Erfolg von reinen Werbemaßnahmen als sehr begrenzt an. Es brauche viel mehr die Use Cases – und die Mundpropaganda derer, die den Nutzen bereits erkennen. Seine Hoffnung liegt stark auf den Unternehmen und deren Kommunikation mit anderen Unternehmen bezüglich gemachter guter Erfahrungen.

 

Mag. Streicher bestätigt, dass an einem digitalen Schülerausweis gearbeitet werde.  Hier müsse auch ein Zusatznutzen entstehen, wie etwa die Identitätsfeststellung der Schüler*innen an der Supermarktkassa, der Ausweis für die Zugfahrt oder Services in der Schule, wie etwa der Zugang zum Drucken. In Planung sei auch der digitale Studierendenausweis.

 

Mag. Rund betonte, dass nur die Use Cases die ID Austria „sexy“ machen würden. Den Grünen Pass aus der Corona-Pandemie sieht er hier als Trigger und ersten wichtigen Multiplikator. Nutzenstiftung und Informationen darüber seien jedenfalls wichtiger als reine Werbung.

 

Prof. Schachtner brachte jene Ansätze ein, die in Kempten/Allgäu verfolgt werden würden: Vertrauen bei Mitarbeiter*innen herstellen, einen „Schnellschalter“ für digitale Services, etwa mit Videobegleitung beim Ausfüllen von Anträgen – und den Kontakt zu Bürger*innen und Unternehmen. Bürger*innen werden dabei auch als Mitentwickler*innen gesehen, Unternehmen sollen in diesem Fall zur Nutzung des auf der elektronischen Signatur beruhenden staatlichen Dienstes bewegt werden.

 

Zentral ist – ganz selbstverständlich – die Frage nach der Sicherheit einer elektronischen Signatur.

Mag. Rund gestand, er könne diese als Nicht-Techniker natürlich nicht abschließend beurteilen und eine hundertprozentige Sicherheit werde es auch hier nicht geben. Allerdings wäre ihm kein einziger „Unfall“ seit dem Bestehen der elektronischen Signatur bekannt.

 

Dies wurde von Mag. Streicher bekräftigt. Er will das sicherlich vorhandene Restrisiko allerdings in Relation zu jenem von Passwort & Co gesetzt wissen, dieses Match gewinne ID Austria jederzeit.

Darum können auch weitere Entwicklungsschritte unternommen werden, wie die elektronische Einreichplattform bis Mitte 2023 oder Augmented Reality-Lösungen, die besonders für Sachverständige wichtig seien.

 

Beim Thema E-Voting schätzt Mag. Rund die politische Bereitschaft noch als keinesfalls hoch genug ein – dem Beispiel Estland zum Trotz. Schon die Sicherheit der Briefwahl wäre ja immer noch ein Diskussionsgegenstand. Die größte Angst ortet er bei der Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit, sich beim Wahlvorgang zu identifizieren und dann aber anonym seine Stimme abzugeben. Besteht hier tatsächlich keine Nachverfolgbarkeit?

 

Knappe Statements brachte dann noch die Schlussrunde:

Prof. Schachtner hob nochmals Verständlichkeit und Nutzerfreundlichkeit als wesentliche Kriterien des Erfolgs einer elektronischen Signatur hervor. Mag. (FH) Haiders größter Wunsch ist die Einführung von E-Voting, ein weiterer der Ausbau der E-Ausweisplattform. Mag. Rund will Formulare weglassen wo immer es geht – Stichwort antragslose Leistung – und mehr Wissen bei den Schüler*innen fördern über das, was die Verwaltung tut. Auch wenn er zeitnahe nicht daran glaube, sei auch er ein Unterstützer von E-Voting. Mag. Gruber wünscht sich den Einzug der ID Austria in das „tägliche Leben“, weil sie aufgrund ihres Nutzens und ihrer Sicherheit selbstverständlich geworden ist. Mag. Streicher brauchte für seine Wünsche für die digitale Zukunft nur insgesamt sechs Buchstaben: Mut + Tun!

 

FH-Prof. Mag. Dr. Franziska Cecon dankte zum Abschluss allen Mitwirkenden für interessante und lebendige Public Management Impulse 2022.

 

Vortragsunterlagen und Videos einzelner Vorträge zum Nachsehen finden Sie unter:

Vorträge 2022 (fh-ooe.at)

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Gastgeberin FH-Prof. Mag. Dr. Franziska Cecon mit Experten bei den 14. Public Management Impulsen

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Eröffnung der Public Management Impulse 2022 durch FH-Prof. Mag. Dr. Franziska Cecon

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Rege Beteiligung gab es durch die im Publikum anwesenden Verwaltungspraktiker*innen

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Staatssekretär Florian Tursky MSc MBA war aus dem Finanzministerium zugeschaltet

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In der finalen Podiumsrunde diskutierten Vortragende und Fachpublikum unter der Leitung von FH-Prof. Cecon auch die Zukunftsvisionen hinsichtlich ID Austria

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Auch ein zentraler Zweck der jährlichen Public Management Impulse: Die Vernetzung und der Austausch der Gäste untereinander